Grundsätze der IGSV

Supervision und Coaching in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB)

Die Interessensgemeinschaft Supervision und Coaching (IGSV) in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und dem diakonischen Werk Bayern (DWB) ist ein Zusammenschluss von Supervisor*innen sowie Coach*innen, die Supervision und/oder Coaching in den verschiedenen kirchlichen und diakonischen Handlungsfeldern anbieten.

Die Mitglieder der IGSV engagieren sich in ihrer kirchenpolitischen Verantwortung für die Weiterentwicklung ihrer fachlichen Standards und für die kirchlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit. Dies beinhaltet die Diskussion und Verständigung über gemeinsame Ziele, Werte und fachliche Fragen.

In ihrem fachlichen, sozialen und kirchlichen Engagement stehen sie für das Zusammenwirken in Systemen, für Möglichkeiten und Formen der Konfliktlösung und Konsensbildung. IGSV Supervisor*innen und Coaches sind in besonderer Weise sensibel für theologische Fragen und Glaubensthemen. Eigene Glaubenshaltungen werden reflektiert und nicht verabsolutiert (Toleranzgebot).

Die IGSV fördert Supervision und Coaching im Bereich der ELKB und dem DWB. Dies geschieht insbesondere durch:

  • Vertretung der Belange von Supervision und Coaching und der darin begründeten Anliegen ihrer Mitglieder gegenüber den Leitungen der ELKB und des DWB.
  • Einbringen von Sachkompetenz in konzeptionellen, personellen und strukturellen Fragen, insbesondere durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den zuständigen Referaten im Landeskirchenamt und im Diakonischen Werk.
  • Dialog und fachlichen Austausch mit anderen Ansätzen von Beratung, Begleitung und Seelsorge (z.B. Gemeindeberatung, Organisationsberatung, Praxisberatung und Therapie).
  • Öffentlichkeitsarbeit für Supervision und Coaching in kirchlichen und diakonischen Arbeitsfeldern.
  • Kontaktpflege zu berufsständischen Vertretungen und Aus-, Fort- und Weiterbildungsstätten von Supervision und Coaching.
  • Kontaktpflege zu den Berufsverbänden in Kirche und Diakonie.
  • jährliche Fachtagungen.
  • kontinuierliche Weiterentwicklung fachlicher Standards. 

Definition

Sowohl Supervision als auch Coaching können als personenorientierte Beratung im beruflichen Feld gefasst werden und bedienen sich dabei verschiedener erprobter Verfahren (z.B. Psychoanalyse, Gruppendynamik, humanistische Verfahren, systemische Konzepte, kognitiv-behaviorale Ansätze u.a.). Die Formate Supervision und Coaching weisen Ähnlichkeiten auf, sind aber nicht identisch.

Supervision als berufsbezogene Beratung führt zur Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit. Supervision bezieht sich dabei auf psychische, soziale sowie institutionelle Faktoren und Rahmenbedingungen. Supervision will im reflexiven Prozess zum Nachdenken über das Verhältnis von Person, Rolle, Organisation und Arbeitsauftrag anregen. Als traditionelle Zielgruppe von Supervision gelten vor allem Menschen in Beziehungsberufen. Supervision findet als Einzel-, Team- oder Gruppensupervision statt und kann neben der Fallsupervision auch Themen der Organisation oder des Teams aufgreifen. Supervision kann als Bestandteil der beruflichen Praxis, Professionalisierung und Qualitätsentwicklung in Diakonie und Kirche in Anspruch genommen werden.

Der Begriff Coaching ist ursprünglich eher im Profit- bzw. Businessbereich beheimatet. Unter Coaching wird ein Format verstanden, welches prozesshaft der individuellen Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- und Steuerungsfunktionen in Organisationen oder von Selbständigen und Experten dient. Es geht darum, individuelle Kompetenzen zu entfalten, die eigene Leistung zu erhöhen und Aufgaben sowie Ziele effektiv und effizient zu erreichen. Coaching erfolgt vor allem als Einzelcoaching und wendet sich in besonderer Weise an Menschen mit Managementaufgaben.

Supervision und Coaching können als zwei Brennpunkte einer Ellipse gesehen werden.

Formen

Supervision erfolgt zumeist in Form eines längerfristigen Beratungsprozesses, der individuell vereinbart wird. Auch Coaching ist prozesshaft angelegt, wobei die Prozesse oft kürzer sind als in der Supervision. Supervision und Coaching unterliegen der Verschwiegenheit. Die notwendigen Vereinbarungen werden in einem Kontrakt festgehalten. Darin werden z.B. Anzahl, Dauer und Abstände der Sitzungen geregelt sowie die Dauer des Prozesses und das Honorar.

Sowohl Supervision als auch Coaching können als ein soziales Geschehen in Dialogform verstanden werden. Bei beiden Formaten erfolgt die Themen- und Zielsetzung in der Regel durch Klient*in oder Coachee. Zwischenauswertungen und eine Abschlussbilanz sind Standards eines fundierten Beratungsgeschehens.

Onlinebasierte Beratungsverfahren bedürfen der Aneignung grundlegender Kompetenzen in Bezug auf das genutzte Beratungsmedium sowie einer medienspezifischen fachlichen Auseinandersetzung und Reflexion dieser Beratungsprozesse.

Ziele / Inhalte

Supervision und Coaching als personen- und fachbezogene Beratung beziehen sich auf das berufliche Handeln und dessen Bedingungen. Ziele werden primär prozessorientiert realisiert. Dabei geht es um Klärungen im Spannungsfeld von Person, Klientel und Organisation. Supervision und Coaching stärken und fördern berufliche Kompetenzen. Als ein Beitrag zur Personalentwicklung unterstützen Supervision und Coaching das Qualitätsmanagement am Arbeitsplatz und in der Organisation.

In Supervision und Coaching kommen vielfältige Themen zur Sprache, z.B.:

  • Arbeitszufriedenheit und Motivation 
  • Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit 
  • Persönliche Motive, Einstellungen und Werthaltungen
  • Berufliche Identität im Spannungsfeld von Anspruch und Wirklichkeit, persönlichen Möglichkeiten und Grenzen
  • Stress und Belastung
  • Arbeitsorganisation und Schwerpunktsetzung
  • Zeit- und Lebensplanung
  • Berufliche Perspektiven und Karriere
  • Biografische Arbeit
  • Theorie und Praxis
  • Systemische und gruppendynamische Zusammenhänge

Standards für die Mitgliedschaft

Mitglieder der IGSV können Supervisor*innen werden, die folgende Kriterien erfüllen:

1. Mitglied in einer der in der ACK (Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen) zusammengeschlossenen Kirchen.

2. eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung.

3. eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zur Supervisor*in bei einem Institut nachweisen (mit bestandener Abschlussprüfung und Erteilung des Zertifikats), das von einem dieser Verbände anerkannt wird:

  • Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP), Berlin
  • Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie (D3G), Kassel
  • Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie e.V. (DGfP), Dortmund
  • Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching e. V. (DGSv), Köln
  • Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. (DGSF), Köln
  • European Association for Supervision and Coaching (EASC), Berlin
  • Sektion Analytische Gruppenpsychotherapie im Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik e.V. (DAGG), Kassel
  • Systemische Gesellschaft e.V. (SG), Berlin.

Werden diese Voraussetzungen nicht oder nur teilweise erfüllt, kann der Geschäftsführende Ausschuss auf Antrag der Bewerber*in eine außerordentliche Einzelfallprüfung anhand der Mindeststandards der DGSv vornehmen und der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vorlegen.

4. Bereitschaft zur Mitarbeit in der IGSV entsprechend der Satzung.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt und eine Mitgliedschaft erworben, kann eine Supervisor*in die Bezeichnung „Supervisor*in/Supervisor/Supervisorin IGSV“ führen.

Mitglieder der IGSV können Coaches werden, die folgende Kriterien erfüllen:

1. Mitglied in einer der in der ACK (Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen) zusammengeschlossenen Kirchen.

2. eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung.

3. eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Coach bei einem Institut nachweisen (mit bestandener Abschlussprüfung und Erteilung des Zertifikats),

3.1. das von der Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching e. V. (DGSv), Köln anerkannt wird oder

3.2. das von einem dieser Verbände anerkannt wird:

  • Deutsche Bundesverband für Coaching e.V. (DBVC), Osnabrück
  • Deutscher Coachingverband e.V. (DCV), Berlin
  • Deutsche Gesellschaft für Coaching e.V. (DGfC), Göttingen
  • Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. (DGSF), Köln
  • European Association for Supervision and Coaching (EASC), Berlin
  • Systemische Gesellschaft e.V. (SG), Berlin.

und einen oder mehrere zusätzlich qualifizierte Aufbaukurse als Coach oder Supervisor*in im Umfang von mindestens 300 Stunden nachweisen oder eine qualifizierte Ausbildung z.B. im therapeutischen Bereich von mind. 500 Stunden.

Werden diese Voraussetzungen nicht oder nur teilweise erfüllt, kann der Geschäftsführende Ausschuss auf Antrag der Bewerber*in eine außerordentliche Einzelfallprüfung anhand der Mindeststandards der DGSv vornehmen und der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vorlegen.

4. Bereitschaft zur Mitarbeit in der IGSV entsprechend der Satzung.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt und eine Mitgliedschaft erworben, kann der*die Coach die Bezeichnung „Coach (IGSV)“ führen.

Ethische Leitlinien

Intention

Das Auftreten gegenüber Kolleg*innen und den Auftraggeber*innen sowie in der Öffentlichkeit ist an den ethischen Leitlinien ausgerichtet. Berufsethische Standards und kollektive Leitlinien dienen dazu, Supervisor*innen und Coaches für ethische Probleme ihrer Arbeit zu sensibilisieren. Die ethischen Leitlinien fordern dazu auf, das eigene berufliche Handeln kritisch zu prüfen und Reflexion sowie Fortbildung zur Grundlage der Arbeit zu machen. Sie bieten einen Rahmen, in dem die eigenen Vorstellungen und Erwartungen der Klient*innen abgeglichen werden können. Zugleich kann die IGSV auf Grundlage der eigenen Werte kritisch Stellung beziehen.

Achtung, Respekt und Vertrauensverhältnis

Mitglieder der IGSV begegnen Menschen, Gruppen und Organisationen mit Respekt. Sie achten die Unantastbarkeit und den Schutz der Würde jedes Einzelnen, unabhängig von deren Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, Kultur, Status, sexueller Orientierung, Weltanschauung und Religion.

Klient*innen sind Expert*innen für sich und ihre Lebenswelt. Sie werden unterstützt, eigene Ressourcen zu nutzen und Lösungen zu finden. Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung sind von zentraler Bedeutung.

Mitglieder der IGSV pflegen einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Vertrauensverhältnis, das aus den direkten oder indirekten Beziehungen entsteht. Jede Vorteilsnahme und jeder Missbrauch – ob zu Gunsten wirtschaftlicher, sozialer, sexueller oder anderer persönlicher Interessen – wird eindeutig abgelehnt.

Unsere Mitglieder achten darauf, dass sie zum System ihrer Klient*innen genügend Distanz haben. Sie respektieren den Persönlichkeitsschutz und verpflichten sich zum verantwortungsvollen Umgang mit Macht und Abhängigkeit. Sie reflektieren ihre Grenzen und gehen verantwortlich damit um.

Information, Aufklärung und Datenschutz

In ihrem Bemühen um Klarheit und Transparenz gegenüber den Klient*innen informieren die Mitglieder der IGSV verständlich und angemessen über:

  • ihre berufliche Qualifikation und Verbandszugehörigkeit;
  • Art und Umfang der angebotenen Leistung;
  • die finanziellen Bedingungen;
  • die Vertraulichkeit und die Schweigepflicht;
  • die Art der Dokumentation von Daten.

Dies gilt in spezifischer Weise auch bei onlinebasierten Beratungen.

Jede unwahrhaftige oder irreführende Werbung ist zu unterlassen. Den Klient*innen wird Gelegenheit gegeben, frei von Zeit- und situativem Druck über die Annahme der angebotenen Leistung zu entscheiden.

Mitglieder der IGSV gehen die Verpflichtung ein, sich auf jene beratende Leistung zu beschränken, die vereinbart wurde und in der eigenen Kompetenz liegt. In Supervision und Coaching wird auf eine möglichst klare Abgrenzung zu anderen Beratungsdisziplinen geachtet.

Unsere Mitglieder verpflichten sich, alle Mitteilungen ihrer Klient*innen vertraulich zu behandeln, auch über deren Tod hinaus. Die Datenschutzbestimmungen sind einzuhalten. Sie müssen auch für den Fall von Krankheit, Unfall oder Tod von Supervisor*in oder Coach*in sichergestellt werden. Klient*innen-Informationen dürfen nur mit deren schriftlicher Einwilligung oder bei gesicherter Anonymität in Forschung, Fort- und Weiterbildung oder in Veröffentlichungen benutzt werden. Die Dokumentation klient*innenbezogener Daten erfolgt unter Wahrung der Datenschutzbestimmungen entsprechend den fachlichen Standards.

Bei Onlineberatungen sind die spezifischen Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Die dafür notwendigen sicherheitstechnischen Voraussetzungen sind entsprechend dem aktuellen Stand der Technik zu schaffen.

Kollegialität

Die Mitglieder der IGSV pflegen eine kollegiale Kooperation. Zusammenarbeit und Konfliktbewältigung geschehen mit Achtung und Offenheit. Persönliche und fachliche Andersartigkeit sowie Konkurrenz sind gewollt und Grundlage für einen lebendigen Diskurs. Loyalität und Toleranz werden gewahrt.

Selbstsorge

Reflektierte Professionalität beinhaltet einen sorgsamen Umgang mit den persönlichen und fachlichen Ressourcen und deren Pflege. Für den Einzelnen/die Einzelne heißt das:

  • die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu kennen;
  • Anzeichen rechtzeitig zu bemerken;
  • institutionelle und individuelle Entlastungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen;
  • eine Balance zwischen der eigenen Rolle und dem Auftrag im jeweiligen Kontext zu finden.

Qualitätssicherung

Die Mitglieder der IGSV sichern die Qualität der beraterischen Arbeit, z.B. in einer Balintgruppe, einer Intervisionsgruppe oder einer Kontrollsupervision. Sie nehmen an Fort- und Weiterbildungen teil und verfolgen den wissenschaftlichen Diskurs.

Selbstverpflichtung

Die ethischen Leitlinien haben selbstverpflichtenden Charakter. Der Geschäftsführende Ausschuss der IGSV trägt Sorge, dass die berufsethischen Diskurse unter den Mitgliedern wachgehalten und die ethischen Standards erörtert werden. Ihre Weiterentwicklung erfordert die Auseinandersetzung der Mitglieder der IGSV.

Vorgehen bei Anfragen, Beschwerden und Verstößen gegen die Ethik-Leitlinien

Der Geschäftsführende Ausschuss der IGSV ist verpflichtet, jede an ihn gerichtete Anfrage und Beschwerde in gemeinsamer Beratung gewissenhaft zu bearbeiten. Die Informationen sind vertraulich zu behandeln. Nach Anhörung aller Beteiligten wird innerhalb einer angemessenen Frist eine einvernehmliche Lösung angestrebt.

Falls eine einvernehmliche Lösung nicht eintritt und bei einem Mitglied der IGSV der Verdacht auf einen eindeutigen Verstoß gegen die Ethik-Leitlinien vorliegt, erarbeitet der Geschäftsführende Ausschuss eine schriftliche Stellungnahme für die Mitgliederversammlung. Über mögliche, daraus folgende Maßnahmen gegenüber einem Mitglied der IGSV entscheidet die Mitgliederversammlung.

Beschlossen von der Mitgliederversammlung der IGSV am 20. März 2021.